Soll ich mein Baby mit Blickrichtung nach vorne tragen?

 

Wer sein Baby trägt, will ihm damit etwas Gutes tun. Deswegen ist der Gedanke naheliegend, dass es für das Baby hochinteressant sein muss, wenn es mit dem Gesicht nach vorne getragen wird. Meist mit dem Hintergedanken: „Dann kann es etwas sehen, etwas erleben, es hat Abwechslung.“ Gerade neugierige und wissbegierige Kinder, so denken viele Eltern, sind dann zufrieden.

Fest steht aber, dass das Tragen mit dem Gesicht nach vorne aus mehreren Gründen nicht empfohlen wird. Ganz egal, wie alt und wie groß das Kind ist. Trageberaterinnen und Hebammen sind sich in diesem Punkt einig: Das Gesicht sollte immer zum Tragenden zeigen. Das gilt dann, wenn das Kind auf dem Bauch getragen wird, genauso, wie wenn es auf dem Rücken getragen wird.

Warum das so ist, das erfährst du in diesem Artikel.

 

Nach vorne tragen aus ergonomischer Sicht

 

Babys Wirbelsäule ist nach der Geburt halbrund. Erst später, mit ca. 6 Jahren wird, die Wirbelsäule S-förmig und bleibt es dann so bis ins Erwachsenenalter. Babys Wirbelsäule ist rund und soll, wenn es getragen wird, optimal unterstützt werden. Das geht aber nur, wenn es zu dir schaut. Dabei bleibt die natürliche Wölbung des Rückens erhalten. Schaut das Baby hingegen von dir weg in deine Blickrichtung, wird es ein Hohlkreuz machen. Eine denkbar ungünstige Haltung für dein Kind.

Und noch ein Aspekt ist hier wichtig. Babys sollten so getragen werden, dass ihre Beinchen die so genannte Anhock-Spreiz-Haltung einnehmen, man sagt auch „M Position“ dazu. Das heißt, die Knie sollten sich auf der gleichen Höhe befinden wie der Bauchnabel. Und nun stelle dir das Ganze einmal vor, wenn Baby von dir weg schaut. Wie das funktionieren soll? Gar nicht. Es ist schlichtweg nicht möglich. Möglich ist es nur dann, wenn das Kind zu dir schaut. Dann nehmen die Beinchen die ergonomisch korrekte Position ein. Ansonsten würden die Beine vom Kind nach vorne weg schauen und sozusagen in der Luft schweben.

 

Die drohende Reizüberflutung

 

Und noch ein weiterer Grund spricht dagegen, dass Babys nicht mit dem Gesicht nach vorne getragen wird. Eltern meinen es gut, dennoch sind die vielen Reize, die dann auf dein Baby einprasseln, zu viel des Guten. Das gilt auch für neugierige, entdeckungsfreudige Kinder. Wenn sich dein Baby dann mal kurz zurückziehen will, weil ihm alles zu viel wird, kann es dann nicht. Es kann nicht sein Köpfchen einfach auf deine Brust legen, wie es der Fall wäre, wenn das Gesicht zu dir zeigt. Babys brauchen immer wieder Rückhalt von Mama oder Papa, um sich, wenn ihnen alles zu viel wird, eine Auszeit zu gönnen.

Menschen, die es nicht kennt, kommen ihm möglicherweise viel zu nahe, wenn es mit dem Gesicht nach vorne zeigt. Die große, weite Welt ist zwar hochinteressant, aber Kinder sind damit schnell überfordert, ohne dass ihr als Eltern das bemerkt.

Die Konsequenz einer Reizüberflutung ist Schreien. Genau deswegen schreien nämlich viele Babys in den Abendstunden, weil sie jetzt verarbeiten müssen, was sie den ganzen Tag erlebt und gesehen haben. Es war ihnen vielleicht einfach zu viel des Guten.

 

Babytragen mit Trageoption nach vorne

 

Was ist dann aber zu halten von Tragehilfen, die explizit laut Herstellerangaben für das Tragen nach vorne geeignet sind? So hart es klingt: Meistens nichts. In einer guten Babytrage sitzt das Baby weit gespreizt – so weit, dass es nicht möglich ist, es einfach andersherum hineinzusetzen.

Ergobaby hat beispielsweise Babytragen auf den Markt gebracht, mit der es auch ergonomisch korrekt möglich sein soll, das Baby nach vorne blickend zu tragen. Dennoch scheiden sich auch hier die Geister. Die Firma Ergobaby gibt selber an, dass die Tragedauer bei dieser Variante begrenzt ist. Diese Trageweise kann für einen Zeitraum von 10 bis 20 Minuten angewendet werden, so die Empfehlung des Herstellers.

Die meisten Trageberaterinnen aber sehen das anders. Zwar ist das Konzept im Vergleich zu anderen Tragehilfen ganz gut. Der Stoff reicht bis unter die Kniekehlen, auch beim Sitzen nach vorne. Dennoch bleibt der Aspekt des Rundrückens und der Reizüberflutung. Wirklich optimal sitzt dein Kind auch in der Ergobaby Omni 360 und in der Ergobaby 360 nicht.

Du solltest in jedem Fall damit warten, bis dein Kind 5 oder 6 Monate alt ist und diese Trageposition auf maximal 20 Minuten beschränken.  Ob du dein Kind also ab und zu mit dem Gesicht von dir weg tragen willst oder nicht, ist letztendlich dir und deinem Kind überlassen. Du wirst abends meistens merken, ob die Reize zu viel waren und sich abendliches Schreien oder Unruhe einstellt.

 

Die Alternative zur Fronttrageweise

 

Will dein Kind unbedingt mehr von der Welt sehen und drückt sich ständig weg von den Eltern, gibt es eine Alternative zur Fronttrage mit Blick nach vorne. Auch auf der Hüfte hat dein Kleines ein gutes Sichtfeld, kann sich bei Überforderung jedoch jederzeit in den sicheren Hafen der Trageperson zurückziehen. Hier wird jedoch der Rücken des Tragenden stärker belastet.

Im Übrigen kann dein Kind auch viel sehen und entdecken, wenn es mit dem Gesicht zu dir schaut. Zum Beispiel, wenn es auf dem Rücken getragen wird. Aber auch, wenn es vorne getragen wird, denn dann kann es auch an dir vorbeischauen.

 

Mehr Babytragen & Tragetuch Tests und Themen

 

 

Pin It on Pinterest